Vita
Maja Vogl wurde 1956 in Kempten im Allgäu geboren. 1975 begann sie Ihre Lehre der Handweberei in Bayreuth, die sie 1977 mit der Gesellenprüfung abschloß. Von 1978 bis 1985 studierte sie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste, München bei Rudi Tröger. Seit 1977 arbeitet Maja Vogl in ihrer eigenen Werkstatt. 1995 wurde sie Mitglied im Bayerischen Kunstgewerbe-Verein, München, von 1996 bis 2017 war sie Mitglied der Gedok, München. 2001 übernahm Maja Vogl für drei Jahre die künstlerische Leitung der Nürnberger Gobelin-Manufaktur. 2008 erhielt sie den Bayerischer Staatspreis und 2011 folgt der Danner-Ehrenpreis.
Maja Vogl lebt und arbeitet in Bernhardswald und München.
Ausstellungen
seit 1985 Einzel- und Gruppenausstellungen und Messebeteiligungen
2022
Atelierhaus Ausstellung, Atelierhaus Theresienstraße 65, München
EinBIick, BIENNALE 2022 Ateliertage für Angewandte Kunst im Raum Nürnberg
Punktlandung, KUNSTPARTNER Schaulager und Galerie, Adlmannstein
2021
CoWorking, Bayerischen Kunstgewerbeverein, München
2020
Es grünt, Galerie Handwerk, München
2019
Meister der Moderne, Galerie Handwerk auf der IHM, München
2018
Farbe, Galerie Rosemarie Jäger, Hochheim
2017
Ausstellung zum Danner Preis 2017, Museum Villa Stuck, München
2016
Gewebe aus Seide und Papier, Kunsthalle Pertolzhofen
2015
Papier und Jetzt, Galerie d. Bayerischen Kunstgewerbeverein, München
Maja Vogl und Richard Vogl, Papierarbeiten, Galerie Villa Maria, Bad Aibling
2014
edel, wertvoll und gut, galerie GEDOCmuc, München
Jahresausstellung der Mitglieder, Galerie für Angewandte Kunst, München
BKV Unterwegs, Kunstverein Rosenheim, Rosenheim
2013
HandFest, H2-Glaspalast Museum für zeitgenössische Kunst, Augsburg
Dannerpreisträger, Villa Maria, Bad Aibling
Handwerk und Kirche, Karmeliterkirche, München
is art a craft – is craft an art?, Kunstverein Passau, Passau
Something OLD Something NEW, Cheongju International Crafts Biennale 2013, Cheongju/Korea
Weihnachtsausstellung, Atelierhaus Theresienstraße 65, München
2012
Endlich Sommer, Galerie des Bayerischen Kunstgewerbeverein, München
Pas des deux – 3 Künstlerpaare, GEDOK München im Taubenturm, Dießen
Weihnachtsausstellung Atelierhaus Theresienstraße 65
2011
Galerie der Preisträger, Staatspreisträger 2005–2010, Galerie Handwerk, München
Kunst- und Gewerbeverein, Regensburg
Dannerpreis 2011, Villa Stuck, München
Galerie Rosi Jäger, Hochheim/Main
Handwerks-Kunst, Kunstkreis Gräfelfing
2010
Kunst im Karreé, München
Farbe mal Zwei, Städtische Galerie im Cordonhaus, Cham, mit Barbara Butz
Weihnachtsausstellung Atelierhaus Theresienstraße 65
2009
Galerie Rosemarie Jäger, Hochheim/Main
2008
Int. Handwerksmesse, BKV Stand, München
Tag für Tag, Gedok München Abteilung Angewandte Kunst, Regensburg
Leder und Seide, Galerie für Angewandte Kunst, München
Dannerpreis 2008, H-2 Zentrum für Gegenwartskunst, Glaspalast, Augsburg
2007
GEDOKFormART 2007, Lübeck
Farbe bekennen, Handwerkskammer, Köln
2006
Meister der Moderne, I.H.M., München
Der Kranz der Minerva, Galerie Handwerk, München
Einzigartig, Gedok München, Abteilung Angewandte Kunst, Taubenturm, Dießen
2005
GEDOKFormART 2005, Stuttgart
Sommerfeste, Galerie Handwerk, München
Dannerpreis 2005, Nationalmuseum, München
2004
Körperkontakt, Rosenheim
Galerie Tittmann, Thurnau
2003
arts+crafts, Kunstverein Passau, St. Anna Kapelle, Passau
Texte
Über die Arbeiten von Maja Vogl
von Monika Römisch
Artikel aus dem Jahrbuch des Vereins für Christliche Kunst in München, Band XXIII, 2006
Maja Vogl lebt und arbeitet in einem ehemaligen Schulhaus in Bernhardswald bei Regensburg. Sie versteht sich selbst als Handwerkerin, die im Weben das geeignete Medium gefunden hat „ihre“ Farben ausdrücken zu können. In diesem Selbstverständnis zeichnet sich auch ihre biografische Entwicklung nach und spannt den weiten Bogen ihrer Ausbildung von der traditionellen Handweberin zur freien Malerin an der Akademie der Bildenden Künste in München. In den ersten Jahren entstehen vorwiegend Leinenstoffe, die noch stark an traditionellen Geweben orientiert und in gedämpfter, meist grautoniger Farbigkeit gehalten sind. Erst nach der Zäsur einer mehrjährigen Arbeitspause findet sie ab Mitte der neunziger Jahre zu ihrem jetzigen, unverwechselbar eigenen Stil.
Maja Vogls Textilkunst ist wie die zeitgenössische, gegenstandslose Malerei geprägt durch die Reduktion. Konzentriert auf einfache, klare Formen, die drei traditionellen Grundarten der Bindungen und die Grundfarben hat sie materialgerechte Ausdrucksmittel entwickelt. Sie verarbeitet ausschließlich industriell gefertigte Garne in der Stärke von Nähseide, da diese Garne ganz gleichmäßig gesponnen sind und anders als Rohseide eine kalkulierbare Oberflächenstruktur ermöglichen. Nur so tritt das Charakteristische einer jeden Bindung deutlich hervor. Ihre Vorliebe gilt der Seide (Schappe- oder Haspelseide), da sie stärker als alle anderen Materialien die Farben, ihr wichtigstes Ausdrucksmittel zum Leuchten bringen kann. Eine weitgehend feststehende Skala ungebrochener Grundfarben verbindet Maja Vogl zu immer neuen Farbklängen. Da die einzelnen Farben eine leichte Tendenz zu benachbarten Tönen aufweisen, wird im Gelb eine Nuance Grün, in Orange eine Nuance Gelb, in Rot eine von Orange etc. spürbar. Mit diesem Kunstgriff nimmt sie ihnen den Sättigungsgrad und erzeugt eine fast unmerkliche Spannung innerhalb des Kolorits. Neben den monochromen Tüchern arbeitet sie bei einigen ein freies grafisches, und ganz dem Handwerk des Webens verpflichtet, ein orthogonales Muster aus einzelnen Fäden oder Streifen in einer anderen Farbe ein. Dabei verblüfft sie durch Sprünge, indem sie Kett- als Schußfäden weiterlaufen läßt. Wie schon bei dem Einsatz des extrem feinen Garns wird auch hier Maja Vogls große Experimentierfreude deutlich, bei der sie mit enormem handwerklichen Geschick bis an die Grenzen dessen geht, was mit einem Handwebstuhl noch zu leisten ist. Als weiteres Gestaltungsmittel setzt sie bewußt die aus ihrer Sicht passende Bindung ein. So entschied sie sich bei dem Altartuch für die Kapelle in Neapel für die schachbrettartige, richtungslose Leinwandbindung um eine Zentrierung des Raumes auf den Altar hin zu erreichen. Bei den Altartüchern in Hebertshausen und dem liturgischen Gewand in Taufkirchen stand vielmehr eine weich fließende und kostbare Wirkung im Vordergrund, erzielt durch die arbeitstechnisch sehr aufwendige Atlasbindung. Alle ihre Arbeiten sind Unikate – selbst Ärmel werden einzeln gewebt, nicht aus einer fertigen Bahn herausgeschnitten – und werden auf die individuelle Funktion abgestimmt.
Die ganzheitliche Vorgehensweise bei fließender Grenze zwischen Handwerk und Kunst und der originäre Stil führten dazu, dass Maja Vogl die künstlerische Leitung der Nürnberger Gobelin Manufaktur übertragen wurde und Nominierungen für renommierte Preise im Kunsthandwerk erhielt, wie zuletzt 2005 der bayerische Danner-Preis oder der Klaus-Oschmann-Preis der GEDOK.
Darüber hinaus verbindet sich Maja Vogls Textilkunst mit wesentlichen Aspekten einer Richtung innerhalb der zeitgenössischen kirchlichen Kunst, die sich seit etwa Mitte der neunziger Jahre vor allem im Münchner Raum entwickelt hat. Eine neue ästhetische Sinnlichkeit, gepaart mit technischer Experimentierfreude, scheinen die nachkonziliaren Rationalisierungen und Purifizierungen hinter sich gelassen zu haben. Stilistisch zeichnet sich diese Kunst wie auch die Textilien Vogls mit teilweise kostbaren Materialien, der Dominanz von Farbe, der Hervorhebung besonderer Oberflächen und spezifisch raumbezogener Lösungen aus. Vogl gelingt mit ihrer Vorliebe für Seide, einem seit jeher im liturgischen Kontext benutzten Material sowie dem in unserer schnelllebigen Zeit anachronistisch anmutenden hohen Arbeitsaufwand nicht nur eine Neubewertung von Raum, sondern auch von Zeit.
Mehr als Seide und Farben
von Monika Römisch, 2008
Angezogen von kräftigen, leuchtenden Farben und weich fließendem Glanz, lassen die Gewebe von Maja Vogl den Blick nicht mehr los. Sie laden vielmehr ein zum genauen Hinsehen und Entdecken. Nun erst offenbart sich dem Betrachter, dass die teilweise großen Flächen ein eigenständiges, grafisches Innenleben führen. Farbe und Zeichnung, Sinnlichkeit und Anregung zum Innehalten machen das Wesen dieser besonderen Textilkunst aus.
Bevor Maja Vogl ab Mitte der neunziger Jahre zu ihrer unverwechselbaren Handschrift findet, entstehen verhalten grautonige, noch stark an traditionellen Geweben ausgerichtete Baumwoll- und Leinenstoffe. Erst nach der Zäsur einer mehrjährigen Arbeitspause fühlt sie sich mutiger und freier, um mit völlig neuen Entwürfen zu experimentieren. Vor dem Hintergrund einer klaren Arbeitsphilosophie verbinden sich Wissen und Eindrücke unterschiedlichster Provenienz mit hoher handwerklicher Perfektion. Auch wenn Maja Vogl sich selbst als Handwerkerin versteht, fließen nun die während ihres Studiums der Malerei an der Akademie gewonnenen Erkenntnisse zu Farbe und Proportion mit ein. Übereinstimmungen mit dem Weben am Bauhaus, wo die künstlerische Arbeit mit textilen Materialien stets ein besonderes Anliegen war, sind wohl eher auf einer inspirativen als direkten Einflussebene anzunehmen. In der traditionellen japanischen Webkunst mit ihrer hohen Wertschätzung für die Arbeitsleistung und die einzelnen Werkstücke findet sie dagegen ganz bewusst Ansätze für ihr eigenes Schaffen.
Mit dem Neuanfang entstehen Gewebe, die geprägt sind von Reduktion und Kalkül einerseits und spielerischer Fantasie andererseits. Nach eigener Aussage hat Maja Vogl im Weben das geeignete Medium gefunden, mit dem sie ihre Farbvorstellungen ausdrücken kann. Konsequent beschränkt sie sich in der Materialwahl auf Seide und für Kissen und Tischdecken auf mercerisierte Baumwolle, da diese beiden Materialien den Farben die intensivste Leuchtkraft verleihen. Beide verarbeitet sie ausschließlich in Form industriell gefertigter Garne in der Stärke von Nähseide. So erzielt sie eine gleichmäßige Oberfläche, bei der die einzelnen Fäden nicht mehr auszumachen sind und, anders als bei Rohseide oder Materialmix, nichts durch Haptik oder Textur von der Farbe als dem eigentlichen Ausdrucksmittel ablenkt. Darüber hinaus ist es Maja Vogl wichtig, der ursächlichen Zweidimensionalität des Webens nicht entgegen zu wirken. Ganz im Sinne der traditionellen Handweberei konzentriert sie sich auf die drei Grundbindungen Köper, Leinwand und Atlas und setzt diese gezielt für den entsprechenden Zweck ein.
Bevor Maja Vogl mit einer neuen Arbeit beginnt, hat sie eine bestimmte Vorstellung. Nur bei komplizierten Stücken, wie z.B. den Kimonos oder liturgischen Gewändern, fertigt sie zuvor Skizzen an. Der Grundidee folgt dann die konkrete Planung, bei der das Material, seine Farbe und Stärke, die Webbreite und Dichte bestimmt werden. Allein das Aufbringen der Kette auf den Webstuhl dauert gut eine Arbeitswoche und setzt sich aus einer Vielzahl von Arbeitsgängen zusammen. Das Weben selbst ist bei 3000 bis 5000 Kettfäden auch physisch eine Herausforderung, wobei durch die hohe Webdichte von bis zu 50 Schußfäden auf einen Zentimeter in einer Stunde nur 5 bis 10cm entstehen. Die gesamte Garnlänge einer Stola, Kett- und Schussfäden addiert, beträgt zum Beispiel etwa 12km. Auch wenn das Ganze wie eine rekordverdächtige Aneinanderreihung von Zahlen klingt, macht es den enormen Arbeitsaufwand jedes einzelnen Stückes anschaulich. Maja Vogl geht hier bis an die Grenzen dessen, was mit einem Handwebstuhl überhaupt zu leisten ist. So ist es nur folgerichtig, dass sie ausnahmslos Unikate herstellt und die Webstücke möglichst nicht beschneidet. In Kissen, Schals, Stolen und den aus Einzelbahnen zusammengesetzten Kimonos, später auch in Altartüchern und liturgischen Gewändern, findet sie die geeignete Verwendung für ihre Gewebe.
Der Strenge und Konsequenz in Handwerk und Grundform stehen Kühnheit und Experiment in Farbe und Grafik gegenüber. Dabei können einzelne Werkgruppen unterschieden werden, die teilweise chronologisch aufeinander folgen. Für den Großteil ihrer Arbeiten greift Vogl auf eine feststehende Palette von Grundfarben zurück. Diese weisen im einzelnen eine leichte Tendenz zu benachbarten Tönen auf, so wird z.B. im Gelb eine Nuance Grün, im Rot ein Anklang von Orange spürbar. Mit diesem Kunstgriff nimmt sie den Farben ihren hohen Sättigungsgrad. Zusätzliche Spannung ergibt sich durch die besonderen Kombinationen. Dazu gehört der Einsatz von Komplementärfarben, wie Rot und Grün, oder die Wahl einer Fremdfarbe, wie Pink zwischen Rot und Gelb, wo das farbkreisgeschulte Auge ein Orange erwarten würde. Auf diesen Flächen entfaltet sich eine freie Grafik, die, anders als die Dominanz und Kraft bei den Farben, eine sensible Zeichnung hervorbringt. Hier zeigt Maja Vogl neben der enormen Ausdauer und Genauigkeit die ganze Bandbreite ihres technischen Könnens im Spiel mit den hauchdünnen Fäden. Es sind nicht nur kleine Quadrate auf Kimonos verteilt – ein durchaus traditionell japanisches Motiv, wenn auch in seiner Unregelmäßigkeit modern abgewandelt. Es tauchen auch mitten im Gewebe einzelne, andersfarbige Fäden wie aus dem Nichts auf, um sich dann wieder in der Fläche zu verlieren. Andere Fäden verspringen innerhalb der Fläche, scheinen das uralte Prinzip durchlaufender Horizontalität und Vertikalität außer Kraft zu setzen. Die Reihe raffinierter Effekte ließe sich weiter fortsetzen. Allen gemeinsam ist dabei der Verzicht auf ein bestimmtes Regelwerk, auf Symmetrie oder Hierarchie. Vogl selbst legt sich vor Beginn einer Arbeit nicht im Detail auf die jeweilige Grafik fest, überlässt sie vielmehr ihrer Intuition während des Arbeitsprozesses. Dabei sieht sie immer nur den etwa 30cm hohen, in Arbeit befindlichen Abschnitt. Das Gesamtbild zeigt sich erst nach der Abnahme vom Webstuhl.
Im Lauf der Jahre wird eine fließende Entwicklung innerhalb der Arbeiten erkennbar. In den Neunzigern setzt sie die einzelnen Farben innerhalb eines Gewebes kontrastreich gegeneinander ab. Jede Seite eines Schals und jeder Seitenrand hat eine andere Farbe, ein Charakteristikum, das den Arbeiten etwas Objekthaftes verleiht. Vor allem bei den größeren Stücken, wie z.B. den Stolen, erwächst später eine Tendenz zu scheinbar einfarbigen Geweben, scheinbar, da die Kettfäden innerhalb eines Farbtons minimal variieren. Etwa ab Mitte des ersten Jahrzehnts kommen zu den Grundfarben zarte Lachs- und Rosatöne, ab Herbst 2007 auch Variationen in Graublau und Schwarz hinzu. Die Grafik wird mit derZeit subtiler und zugleich raffinierter. Sie will noch stärker als zu Anfang entdeckt sein und gibt nicht selten, auch in Fachkreisen, Rätsel über die Technik auf. Insgesamt lässt sich eine zunehmende Verfeinerung feststellen. Die verwendeten Garne werden dünner, neben Schappeseide kommt häufiger die noch dünnere Haspelseide zum Einsatz, die Vogl nun eigens nach ihren Vorstellungen einfärben lässt. Das Ergebnis sind noch leichtere Stoffe mit noch fließenderem Glanz. Ein Großteil ihrer Faszination ergibt sich aus einem Wechselspiel verschiedenster Komponenten, dem Gegensatz feinster Industriegarne, auf einem Handwebstuhl verarbeitet, enormer Tuchgrößen bei extrem leichtem Gewicht, der Gestaltung mit kräftigen Grundfarben und einer zurückgenommenen, wie zufällig auftauchenden Zeichnung bis hin zu den zwei völlig unterschiedlichen Seiten ein und desselben Gewebes.
In einer Zeit zunehmender Massenproduktion und synthetisch erzeugter Gewebe für immer speziellere Funktionen beschreitet Maja Vogl bewusst eigene Wege. Bei ihr soll jedes Stück wieder einen Eigenwert besitzen und universell zu gebrauchen sein. Sie spannt den Bogen von uraltem Handwerk zu moderner Kunst und gelangt zu ihrer eigenen, unverkennbaren Ästhetik. Doch weit über die Ausdruckswerte von Farbe und Zeichnung hinaus veranschaulichen die Stoffe ihre ganz persönliche (wiederum durch die japanische Kultur bestärkte) Sichtweise von Zeit und Materie. Nicht nur der lange Arbeitsprozess, auch der Rückgriff auf den traditionellen Handwebstuhl – die Kunstszene kennt längst den computergesteuerten Webstuhl – lässt die beabsichtigte Dimension erahnen. Die fast ausschließliche Verarbeitung von Seide, einem langlebigen Material, das seit Jahrtausenden in allen alten Hochkulturen für besonders kostbare Gewebe verwendet wird, zeugt von einer Haltung, die bewusst der Kurzlebigkeit von Dingen in der heutigen Wegwerfgesellschaft entgegentritt. Das Spiel mit den Fäden schließlich, die scheinbare Zufälligkeit von Zeichnung, verkörpert für Vogl eine Gegenposition zu den festen und einengenden Strukturen des menschlichen Alltags. Mit ihren vielen unterschiedlichen Geweben möchte Maja Vogl einladen, mit dem Blick zu verweilen und absichtslos innezuhalten.
Danner Ehrenpreis
Laudatio von Franz X. Höller, 2011
Die Schals von Maja Vogl sind etwas ganz besonderes und so banal es auch klingen mag, selbst flüchtige Eindrücke davon haben kein Verfallsdatum. Was jedem spontan ins Auge fällt und für ihre Arbeiten einnimmt, ist zweifellos die meisterhafte Ausführung und hohe Materialqualität dieser Textilien. Als Charakterisierung ihres künstlerischen Ausdrucks greift diese Annäherung allerdings zu kurz, weil sie vor allem die unverwechselbare Aura außer Acht läßt, die von ihnen ausgeht und sie über den Moment hinaus so unerschöpflich wirken läßt.
Maja Vogls Arbeiten verraten nichts vom Leben am Webstuhl, im Gegenteil, geradezu unbeschwert und scheinbar gewichtslos geben sich die großzügig angelegten Farbbahnen, als wäre nichts daran oder dabei, sie zu schaffen. Alles hat Maß und Gleichgewicht. Zupackende Farben, subtilste Oberflächentexturen sowie ein lebendiges Licht- und Schattenspiel in den Falten sind mit größter Behutsamkeit »verwebt« und beanspruchen unsere Aufmerksamkeit. Die Frage, wie diese Gewebe letztlich gemacht sind, tritt zum Glück in den Hintergrund, viel spannender bleibt das rätselhafte Zustandebringen ihrer unerklärbaren Ausstrahlung. Obwohl die stoffliche Substanz mit Händen zu greifen ist, entzieht sie sich letztlich doch dieser Art der Aneignung, sie wird schlicht unfassbar und bleibt zu Recht ein verborgenes Geheimnis. Ob am Körper getragen oder als feingesponnene Materialbilder wirken die Gewebe auf ihre Art meditativ und voll innerer Vitalität.
Im Bereich Textil werden hier zweifelsohne Massstäbe gesetzt. Der hohe kunsthandwerkliche Anspruch, dieser Weberin läßt erwarten, dass ihr noch viele herrliche Stücke gelingen werden. Es ist mir eine große Freude, ihr den Ehrenpreis der Danner-Stiftung zu überreichen und ich verbinde damit die praktische Hoffnung, dass ihr der Faden nicht reißen möge und dass vor allem die Früchte ihres Tuns weiterhin die wohlverdiente Anerkennung finden werden.
Die schönste Nebensache der Welt: Die Schals von Maja Vogl
Juli Metzdorf, 2023
Katalogtext in Heft 1, die ersten zehn Hefte erscheinen anläßlich der Ausstellung Maja Vogl – Webkunst mit Seide und Papier im Handwerksmuseum Deggendorf vom 22.2. – 21.5.2023
Schals gelten gemeinhin als Accessoires. Als Zubehör und Nebensache, ein schmückendes Beiwerk, nicht wirklich notwendig, aber hübsch anzuschauen und immerhin ein bisschen wärmend.
Was für ein Irrtum! Bei Maja Vogl wird das Accessoire zum Hauptwerk, zum Halsschmeichler und zur tragbaren Kunst, zur Kommunikationszentrale und Krone der Garderobe und manchmal gar zum Lebensgefährten.
Der erste Eindruck ist Farbe: Rot, pink, orange und lila, himmelblau und grasgrün treten einem ihre Schals entgegen, prächtig wie Paradiesvögel und edel schimmernd wie Kristalle. Doch Maja Vogls Schals sind nie in einer einzigen Farbe durchgewebt, das wäre platt und langweilig und man hätte die Stoffe genauso gut nachträglich färben können. Stattdessen kommen bei ihr immer mehrere, sogar ziemlich viele Farben zusammen. Innerhalb der Flächen herrscht so stets eine leichte Bewegung, eine kleine vibrierende Spannung oder ein »In-sich-Reiben« wie Maja Vogl es nennt. Es sind die Farbkombinationen, die die Künstlerin interessieren. Wie interagieren Farben miteinander? Wie beeinflussen sie sich gegenseitig? Rot neben Grün verhält sich vollkommen anders, als wenn es mit Gelb kombiniert wird. Eine einzelne Farbe mag eine Stimmung abbilden. Mehrere Farben aber bilden einen Charakter.
Maja Vogls Schals nehmen sich da wie eine kleine Forschungsarbeit aus. Jeweils etwa fünf bis sieben Tücher wurden auf derselben Kette gewebt, das sind jene Fäden, die zu Beginn der Arbeit in den Webstuhl eingespannt und dann mit einem horizontalen Schussfaden zu einem festen Tuch verwebt werden. Immer wieder schießt das Schiffchen mit dem Schussfaden dafür von links nach rechts und zurück von rechts nach links. Die Farbe dieser Schussfäden kann über die Länge des Tuchs variieren und sie kann während des Webens spontan und immer wieder aufs Neue verändert werden. Die Kettfäden aber sind von Anfang an festgelegt. Und im vorliegenden Fall nicht nur für ein einzelnes Tuch, sondern gleich für mehrere. Die Tuchgruppen offenbaren, welche Möglichkeiten in der Farbkombination liegen: So kann man auch als Laie gut verstehen, welche Bedeutung die Kette hat und welchen Spielraum sie lässt. Das Weben offenbart sich hier als Spiel mit System. Das Grundgerüst ist immer gleich und doch hat jeder Schal einen völlig anderen Charakter. Jeder Schal ist ein Unikat – aber er hat Geschwister aus der gleichen Linie.
Als erfahrene Weberin hat Maja Vogl natürlich von Anfang an eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie der Schal am Ende aussehen soll. Sie kann gut abschätzen, wie die Farben miteinander agieren und doch bleibt immer ein Rest Überraschung, wie das fertige Gewebe dann tatsächlich wirkt. Und immer wieder staunt Maja Vogl, was eine einzelne Farbe im Zusammenspiel mit einer anderen auslösen kann. Aus einer Kette mit hellgrünen und gelben Fäden kann immer noch ein dezenter, eher dunkelgrüner Schal werden, wie die Gruppe »Hellgrün + Gelb« zeigt. In der Gruppe »Schwarz + Weiß« wiederum kombiniert sie farbige Schussfäden mit schwarzen und weißen Kettfäden im Wechsel. In der Version mit grünen und blauen Schussfäden strahlen diese Schals eine vornehme Zurückhaltung aus, wirken wie von Eisnebel umhangen. Der Schal mit Gelb und Rot hingegen wirkt warm und lässig.
Die Frage nach der Wirkung von Farben beschäftigt die gebürtige Allgäuerin seit Jahrzehnten. Nach ihrer Ausbildung zur Weberin ging Maja Vogl nach München und studierte ab 1978 bei Rudi Tröger an der Akademie der Bildenden Künste Malerei. Das Studium sei extrem wichtig für sie gewesen, erzählt sie, hier habe sie Sehen gelernt und ein gutes Gespür für Proportionen entwickelt.
Trotzdem hat sie sich im Anschluss wieder ganz dem Weben zugewandt. Sie wollte Gegenstände machen, die man auch benutzen kann. Besser gesagt: Kunst, die man benutzen kann. Ihr gefällt die Vorstellung ihre Schals zu tragen als würde man sich ein Bild umhängen. In der Tat sind die Parallelen zwischen Farbfeldmalerei und ihren Webarbeiten groß. Es wird ja in der Regel sogar auf Leinwand gemalt, also auf Textil. In Maja Vogls Fall wird die Farbe eben gleich selbst verwebt. »Die Farbe ist mein Hauptanliegen. Und das Weben ist das Medium, in dem ich meine Farbvorstellungen am besten verwirklichen kann«, sagt sie.
Im Lauf ihrer Karriere hat Maja Vogl nicht nur Schals gemacht, auch Kimonos oder liturgische Gewänder,Banner und Stoffbahnen für die Kirche hat sie gefertigt. Inspiration findet Maja Vogl vor allem in der Natur. Im eigenen Garten oder auf Spaziergängen fotografiert sie bunt gefärbtes Laub oder andere Farbkombinationen, die sie gern in Stoff nachempfinden würde.
Farben transportieren Emotionen und Erinnerungen. So gesehen geht es bei Maja Vogl immer auch um Kommunikation. Die Welt selbst ist grau, die Farben entstehen erst in unserem Kopf. Die menschliche Farbwahrnehmung ist eine Empfindung, die – wortwörtlich – im Auge des Betrachters liegt. Wer hat nicht schon einmal mit jemandem darüber diskutiert, ob ein Gegenstand tiefblau oder doch schwarz ist? Jeder Mensch nimmt die Farben etwas anders wahr. Da überrascht es gar nicht so sehr, dass Wissenschaftler von 16 Millionen wahrnehmbaren Farbnuancen ausgehen.
Für Farbe braucht es Licht. Hier kommt das Material ins Spiel: Maja Vogl arbeitet mit Seide. Die Endlosfaser aus den Kokons der Seidenspinnerraupe lässt sich fantastisch verarbeiten, vor allem aber überzeugt sie durch ihre Strahlkraft. Seide reflektiert das Licht nicht nur, sie hat auch einen »inneren Glanz« wie Maja Vogl es nennt. Dieser Glanz der Seide hebt die Farben, sie »stehen auf Seide besonders schön«. Auch Leinen hat sehr schöne Farben, aber mit einem ganz anderen, eher verhaltenen, wolkigen Charakter. Maja Vogl bevorzugt die Leuchtkraft von Seide. Sie verwendet Schappeseide oder die noch feinere Haspelseide. Die Oberflächen ihrer Schals sind so glatt und gleichmäßig, dass man den einzelnen Faden nicht mehr erkennen kann, zudem wurde hier ausschließlich in der klassischen, sehr regelmäßigen Leinwandbindung gewebt. Nichts soll von der Farbe als dem eigentlichen Ausdrucksmedium ablenken. Das Stoffliche wird geradezu aufgelöst – was bleibt, ist die reine Farbe.
Gewebt wird per Hand auf einem alten Webstuhl bayerischen bzw. skandinavischen Typs. Wie an einer Orgel sitzt Maja Vogl an diesem Webstuhl und betätigt gleichmäßig und kraftvoll die Pedale mit den Füßen, das Schiffchen schießt sie per Hand hin und her. Millimeter für Millimeter wächst so der Stoff voran. Zusammen mit ihrem Mann, dem Maler Richard Vogl, lebt Maja Vogl in einem alten Schulhaus in Bernhardswald bei Regensburg. Die Räume haben hohe Decken und große Fenster, durch die viel Licht dringt. Anderswo würde sie ihren Webstuhl gar nicht unterbringen: Zwei mal drei Meter misst die kastenförmige Konstruktion. Die Arbeit daran ist hart. Die fertigen Schals aber strahlen eine Leichtigkeit aus, die an Schmetterlinge denken lässt, wie sie von Blüte zu Blüte schweben. Um diesen Eindruck entstehen zu lassen, ist es ein weiter Weg, mit vielen Stunden körperlich und geistig anstrengender Arbeit. Allein die Kettfäden in die Litzen zu fädeln, dauert mehrere Tage und verlangt ein Höchstmaß an Konzentration. Gemessen an den aufwändigen Vorarbeiten ist das anstrengende Weben am Ende fast eine Belohnung. Theoretisch könnte man ähnliche Stoffe auch mit einem mechanischen Webstuhl herstellen. Doch dann müsste das Programm vorab festgelegt werden, spontanes Reagieren wäre nicht mehr möglich. Außerdem ist die Programmierung ebenfalls aufwändig, es lohnt sich einfach nicht. Kurzum: Schals wie die von Maja Vogl kann nur Maja Vogl machen.
Einige ihrer Gestaltungselemente sind auch wirklich nur mit der Hand zu machen: Während des Webens arbeitet Maja Vogl gern spontan noch grafische Elemente ein, zum Beispiel Quadrate. Mal als zarte Rahmen, mal flächig ausgefüllt schweben sie über die Tuchfläche: perfekte Formen, Sinnbilder für Harmonie und Ausgewogenheit.
Auf einem der Schals »Weiß + Natur« sind die Quadrate farbig. Fast übermütig wirkt das Muster aus dutzenden sich überlappenden Quadraten, als wären sie einfach nur auf die Fläche geworfen wie ein paar Spielwürfel, dabei ist die Vorarbeit zu solch einem Muster hochkomplex. Auf einem anderen Schal dieser Kette durchlaufen silbergrau gefüllte Quadrate den gesamten Schal in einer Reihe von oben nach unten, gleichzeitig lösen sich kleine Quadratrahmen unmerklich von ihnen ab und bilden eine zweite Reihe, die wie von einem Windhauch bewegt langsam zur Seite wegschwebt.
So wie Kleidung Saum oder Bündchen, Bücher einen Einband und Bilder einen Rahmen haben, so haben auch Maja Vogls Schals einen angemessenen Abschluss, eine kleine Abgrenzung zur Außenwelt. Meist ist das ein Rand in einer Kontrastfarbe, der die Hauptfarbe des Schals nochmal richtig zum Glühen bringt. Allerdings nicht als platter, größtmöglicher Gegensatz: Das rote Tuch hat zum Beispiel keinen schwarzen, sondern einen dunkelbraunen Rand.
Weben heißt: verbinden. Lose, geradezu formlose, frei flotierende Fäden erhalten erst im Zusammenspiel mit den anderen Fäden Form und Funktion. Die Festigkeit des Gewebes entsteht durch die Wiederholung, durch die Reihung: erst der nächste Faden verhindert, dass der vorherige Faden wild herumrutscht. Weben heißt: einander halten. Und zwar hierarchiefrei: Jeder Faden ist wichtig.
Was für ein schönes Bild: der hierarchiefreie Verbund als Zeichen für die Stärke einer Gemeinschaft.
Da Seide sehr leicht rutscht, webt Maja Vogl sie recht dicht: 20–26 Schussfäden tummeln sich auf 1 cm Stoff. Am Ende trägt man mit einem ihrer Schals rund 12 km Garn um den Hals. Trotzdem sind die Schals weich, aber auch extrem stabil. Den einzelnen Faden kann man problemlos mit den Fingern zerreißen, das fertige Gewebe aber ist absolut reißfest, nur Schere oder Feuer können ihm etwas anhaben. Daher kann man die Schals auch knüllen, waschen oder bügeln – und zwar am besten richtig heiß, mit viel Dampf, sagt die Expertin: »Ich habe bei manchen Stoffen den Eindruck, je öfter die gebügelt sind, umso schöner werden sie und umso weniger knittern sie.«
Die dichte Webweise macht, dass der Stoff in sich steht. In den Fotografien von Eva Jünger kommt das besonders gut zur Geltung. Auf manchen Bildern wirken die Schals wie lebendige Wesen, dreidimensionale, körperhafte Gebilde, jedes mit einem eigenen Charakter. Die Vorstellung,diese Wesen im dunklen Schrank einzuschließen, schmerzt. Viel besser wäre es, sie als Bild an die Wand zu hängen. Wie ein Farbwasserfall scheinen die Schals dann aus der Wand herauszuströmen! Das ist es wohl, was der Philosoph Walter Benjamin mit der »Aura« eines Kunstwerks meinte. Fotos geben eine Ahnung von dieser Aura, doch ihre ganze Wucht entfaltet sie erst in der physischen Begegnung mit dem Original. Und allen digitalen Farbbildfluten unserer Zeit zum Trotz sind es genau diese Begegnungen mit der Kraft einer Aura, die die Menschen weiterhin wertschätzen.
Vielleicht halten Sie die Schals von Maja Vogl jetzt immer noch für ein nebensächliches Accessoire. Aber dann bitteschön für die schönste Nebensache der Welt!